Verbotenes Wissen by Stephen R. Donaldson

Verbotenes Wissen by Stephen R. Donaldson

Autor:Stephen R. Donaldson [Donaldson, Stephen R.]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2012-02-05T23:00:00+00:00


12

Für eine Weile schwebte sie, während die Käptens Liebchen die Bordgravitation aufhob; sie und Nick klammerten sich an die Null-G- Haltegriffe, schwebten Seite an Seite. Wie er ließ Morn ihre Helmscheibe offen. Aber seinen Blick zu erwidern fühlte sie sich unfähig. Momentan gehörte ihr seine ungeteilte, konzentrierte Aufmerksamkeit. Gestautes Blut verdunkelte seine Narben, und sein Blick schien zu glimmen. Morns Augen hingegen starrten an ihm vorüber, als wäre sie gelähmt.

Sie hätte die Intensität des Zonenimplantats höher justieren sollen. Der Effekt war zu schwach. Sie stand vor ihrer ersten persönlichen Begegnung mit den Amnion, sah der Möglichkeit entgegen, daß sie ihre Menschlichkeit ganz und gar verlor, man sie des genetischen Kerns ihrer Persönlichkeit beraubte. Darum hätte sie die Emissionen des Implantats stark genug einstellen sollen, um sie vollständig gefühllos zu machen. Dann wäre ihr zumindest diese tiefe, menschliche Furcht erspart geblieben.

Doch das Kontrollgerät steckte im Innern ihres EA-Anzugs in der Tasche ihrer Bordmontur. Nun war es für sie nicht mehr greifbar.

Sie und Nick hatten den Boden unter den Füßen verloren, als befänden sie sich in freiem Fall, aber das war nur eine Illusion. Die Masse der Raumstation machte sich durch ihre Gravitation bemerkbar, gab ihnen das Gefühl, sie könnten die Hände von den Haltegriffen nehmen; die Schotts neben Morns Füßen erweckten zunehmend den Eindruck, der Boden zu sein. Trotzdem hielten sie und Nick sich fest. Sobald die Käptens Liebchen anlegte, das Raumschiff vollends unter den Einfluß der Eigenschwerkraft Potentials geriet, gaben wieder die Deckplatten den regulären Fußboden ab.

»Noch eine Minute«, drang Mikka Vasaczks Stimme aus dem Interkom-Apparat. »Keine Probleme.«

Morn fühlte sich schon jetzt in ihrer Persönlichkeit angegriffen.

Auch ohne Mutagene wurde das Verständnis ihrer selbst und ihres Daseins Veränderungen unterworfen, wie durch Schnellwachstum in eine andere Form umgemodelt.

Nick hatte einen Schutzstoff gegen die Amnion-Mutagene.

Hashi Lebwohl hatte ihn Nick gegeben; das Medikament gehörte der VMKP.

Und die VMKP hatte es der Menschheit vorenthalten. Die Polizei, ihresgleichen, überließ den gesamten Human-Kosmos der Möglichkeit einer Absorption durch Aliens, obwohl sie über ein Mittel verfügte, um diese Gefahr wirksam zu verhüten.

Was für Menschen waren das, die so etwas taten? In den Dienst welcher Männer und Frauen hatten sie und ihr Vater sich gestellt?

Vector Shaheed hatte recht. Die VMKP ist die korrupteste Organisation, die es überhaupt gibt.

Wie hatte sie sich derartig irren können? Wie war es möglich gewesen, daß ihr Vater und ihre ganze Familie sich dermaßen getäuscht hatten?

Ein Ruck durchbebte den Rumpf des Raumschiffs: Anprall, Belastung des Metalls. Mit dem Anlegen wurden das Surren der Servomechanismen, die klirrenden Flanschgeräusche der Verankerungen und das Schlurren der Elektronikkabel, das einem Schmatzen ähnliche Festhaften der Stationssensoren hörbar. Bei einer menschlichen Raumstation hätte Morn auch das Festschrauben von Luftschläuchen gehört, das kurze Zischen eines Druckausgleichs. Hier blieb beides aus: Menschen und Amnion atmeten die Atmosphäre des jeweils anderen nur, wenn sie keine andere Wahl hatten.

Nicks und Morns Füße berührten wieder den gewohnten Boden.

»Anlegevorgang abgeschlossen, Nick«, gab Mikka durch. »Vector meldet Pulsator-Antrieb zündbereit. Wir erhalten bei allen Systemen den betriebsmäßigen Energiepegel aufrecht. Das dürfte den Amnion mißfallen, aber andernfalls könnten wir keine Explosion auslösen.



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